Da sagt der Chef, die Kollegin oder der Mann einen Satz und bäm – brennt uns die Sicherung durch. Oft sagen wir dann nichts, fühlen uns aber schlecht. Es arbeitet in uns, unsere Gedanken drehen sich immer wieder um diese Situation. Oft reden wir uns dann selbst ein, dass uns das gar nicht so sehr beschäftigen sollte, fühlen uns also auch noch schlecht dafür, dass wir uns schlecht fühlen und versuchen mit Schokolade, Netflix & Co. unsere negativen Gefühle wegzudrücken. Warum das nicht funktioniert und was du stattdessen konkret tun kannst, verrate ich dir in diesem Artikel.
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Positive und negative Gefühle
An sich gibt es keine positiven und negativen Gefühle – es sind einfach Gefühle und alle haben eine Funktion. Aber natürlich erleben wir manche – wie z.B. Freude – als angenehm und andere – wie z.B. Wut oder Traurigkeit – als unangenehm. Angenehme Gefühle signalisieren uns: „Alles in Ordnung, wir sind sicher“. Unangenehme Gefühle zeigen uns: „Hier ist etwas nicht in Ordnung.“ Das geschieht meistens dann, wenn ein Schmerzpunkt in uns berührt wird, wenn ein Anteil in uns angetriggert wird, den wir eigentlich ablehnen, von dem wir vielleicht denken, er ist falsch oder wenn eine alte schmerzvolle Erfahrung, an die wir uns eigentlich nicht erinnern möchten und die wir nicht nochmal anschauen möchten, berührt wird.
Was wir dann häufig machen, ist, zu versuchen, diesen Schmerz zu umschiffen, indem wir uns ablenken und unbewusst versuchen, unser Nervensystem auf eine Art zu beruhigen, die sich gut anfühlt, z.B. indem wir essen, ein Glas Wein trinken oder vor Netflix versinken.
Aber: In dem Moment, in dem wir diese Gefühle wahrnehmen, sind sie schon da. Und sie können sich nur lösen, wenn wir sie durch unser System einmal hindurchlassen. Wenn wir versuchen, sie wegzudrücken, sind wir mit unserer Aufmerksamkeit immer bei dem, was wir nicht wollen – in dem Fall nicht fühlen wollen – und halten sie damit fest, sodass sie letztendlich nicht gehen können.
Funktionen von negativen Emotionen
Gefühle haben immer eine Botschaft für uns (vor allem, wenn es um negative Emotionen geht), sie wollen uns etwas mitteilen. Zum Beispiel:
- Angst: „Hier ist eine Gefahr!“
- Traurigkeit: „Ich habe etwas verloren, das mir wichtig ist.“
- Wut: „Hier wurde einer meiner Grund-Werte verletzt oder eine Grenze überschritten.“
- Scham: „Ich habe die Norm eines anderen verletzt und werde jetzt ausgeschlossen“ oder: „Hier wurde eine seelische Grenze überschritten“
Wenn wir diese negativen Emotionen zu unterdrücken versuchen, verpassen wir Gelegenheiten, zu lernen, uns weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Grundsätzlich kannst du dir Emotionen vorstellen wie Wasserbälle. Stell dir vor, du stehst in einem Schwimmbecken und ein Wasserball ploppt neben dir auf. Du versuchst, ihn wieder unter Wasser zu drücken. Bei einem Ball funktioniert das noch ganz gut. Dann ploppt auf der anderen Seite ein zweiter Wasserball auf. Da wird es schon schwieriger, aber es geht vielleicht auch noch. Spätestens beim dritten Ball wird es dir nicht mehr gelingen und wenn jetzt immer mehr Wasserbälle hochploppen und du versuchst, sie unter Wasser zu drücken, fliegen sie dir relativ schnell um die Ohren.
Vielleicht hilft dir auch das Bild, dass deine Emotionen wie gute Freunde sind, die zu dir auf einen Kaffee zu Besuch kommen, weil sie etwas auf dem Herzen haben. Sie klingeln, du lässt sie rein, sie möchten sich einmal aussprechen, gesehen und gehört werden, und dann gehen sie wieder.
Wie du gut mit negativen Emotionen umgehen kannst, anstatt sie zu unterdrücken
1 – Atmen
Wenn du akut in einer Situation bist, in der du die Emotion nicht frei herauslassen kannst: Atmen!
Atme ca. fünf Minuten lang langsam und tief ein und aus, lass den Atem bis in deinen Bauch fließen, bis dieser sich richtig nach außen wölbt. Tiefe Atmung aktiviert unseren Parasympathikus, den Teil unseres Nevensystems, der für Regeneration und Entspannung steht und unserem System signalisiert: „Alles in Ordnung, wir sind sicher.“ Akzeptiere, dass sich die Situation gerade richtig unangenehm anfühlt, dass du wütend, traurig, verletzt bist, dich ohnmächtig fühlst – was auch immer es ist. Es ist okay, dass es gerade so ist, lass das alles da sein, du kannst später damit arbeiten, wenn du Zeit und Raum für dich hast.
2 – Fühlen
Später, wenn du einen sicheren Raum um dich herum hast, in dem du eine Weile nicht gestört wirst: Fühle, was da ist – egal, ob du es benennen kannst oder dein Kopf es greifen kann.
Du kannst hier sehr gut mit Embodiment deinen gesamten Körper mitnehmen, indem du z.B. eine Yogamatte ausrollst, in den Vierfüßlerstand gehst und deinen Körper sich so bewegen lässt, wie er es gerade braucht. Du kannst dir selbst die Berührung geben, die dir gerade guttut. Emotionen sind immer auch in unserem Körper gespeichert und der ist so unfassbar intelligent – wenn du ihm das Ruder überlässt und ihn sich so bewegen lässt und ihn so berührst, wie es ihm guttut, können sich Dinge lösen, ohne dass du sie im Kopf unbedingt noch einmal durchwälzen musst. Hier ist es vollkommen egal, wie es aussieht und ob diese Bewegung oder Berührung für deinen Kopf Sinn ergibt oder nicht. Wichtig ist, dass du einfach deinen Körper machen lässt. Das Ganze braucht ein bisschen Übung und bei mir schaltet sich auch immer mal wieder der Kopf ein – das ist okay, probier‘ es einfach mal aus.
Wenn sich Bewegung für dich nicht stimmig anfühlt, zwinge dich nicht dazu. Du kannst auch „nur“ einfach fühlen. Bei mir ist es z.B. oft so, dass ich eher Bewegung brauche, wenn es sehr aktive Emotionen sind wie Wut oder Hilflosigkeit. Wenn ich dagegen traurig bin, möchte mein Körper sich oft gar nicht so viel bewegen, sondern einfach nur weinen – dann lege ich die Hände auf mein Herz oder umarme mich selbst und halte mich, gebe meinem System damit das Signal, dass es in Sicherheit ist, stelle mir vor, durch mein Herz zu atmen und lasse alles aus mir rausfließen, egal wie lange es dauert und ob mein Kopf irgendwann sagt: „Jetzt ist aber mal gut“ – es dauert so lange, wie es dauert.
Vielleicht erlebst du auch Phasen, in denen dieselben Emotionen wie in Wellen immer wiederkommen. Das ist okay, in einem Leben sammelt sich einfach vieles an und staut sich. Mach‘ diese Arbeit immer wieder und du wirst sehen, dass sich etwas verändert. Du wirst ruhiger und klarer, wie ein Gefäß, in dem du Schlamm-Wasser aufgewühlt hast – irgendwann setzt sich das Sediment und du kannst wieder klar sehen.
3 – Benennen und Erforschen
Wenn der erste Sturm vorüber ist und du einmal wirklich gefühlt hast, kannst du konstruktiv mit deinen negativen Emotionen arbeiten:
Versuche, die Emotion zu benennen – das ist hilfreich, weil jetzt dein Kopf dazukommen darf und du es dann besser greifen kannst. Hier ist wichtig zu unterscheiden zwischen einem echten Gefühl und einer versteckten Unterstellung: „Ich fühle mich nicht gesehen“ ist kein Gefühl, sondern eine Vermutung über das Verhalten des anderen. Wie fühlt sich das an, nicht gesehen zu werden? Allein, klein, einsam, traurig?…
Dann grabe ein bisschen tiefer und schau dir an: Woher kennst du dieses Gefühl? Was ist die erste Situation, die in deinem Kopf auftaucht, wenn du die Frage stellst, wann du diese Emotion zum ersten Mal erlebt hast? Was war damals? Wer war beteiligt? Was genau ist passiert? Wie würdest du die damalige Situation mit deiner Erfahrung und deinem Wissen von heute beurteilen? Was siehst du heute in der Rückschau, was dir damals vielleicht nicht bewusst war?
Mach‘ dir klar, dass das alles nichts mehr mit deinem heutigen Leben zu tun hat, sondern dass hier einfach eine alte Verletzung berührt wurde, die noch nicht ganz verheilt ist.
Du kannst dir auch anschauen, wofür du dieses Gefühl bzw. diesen Mechanismus, der dort in dir anspringt, heute noch brauchst. Vielleicht beschützt es dich vor etwas. Vielleicht bewirkt das Gefühl, dass du dich auf eine bestimmte Art und Weise verhältst, sodass du nicht in eine Situation gerätst, die gefährlich für dich ist.
Mach‘ dir bewusst, dass du diesen Mechanismus in dir heute nicht mehr brauchst, weil du andere Coping-Strategien beherrschst, weil du dich weiterentwickelt und verändert hast und diese alten Muster ablegen kannst – du bist aus ihnen herausgewachsen. Wenn du merkst, dass es dir alleine schwerfällt, dann suche dir Unterstützung, z.B. durch einen Coach, manchmal ist es bei dieser Art von Arbeit unglaublich hilfreich, eine unbeteiligte Person an der Seite zu haben, die uns unterstützt und unser Ankerpunkt ist.
Regelmäßige Arbeit mit negativen Emotionen ist der Schlüssel für nachhaltige Veränderung
Wenn du das alles zum ersten Mal machst, erscheint es dir vielleicht sehr viel und sehr anstrengend – und das ist es am Anfang auch. Aber irgendwann wirst du merken, dass sich etwas verändert. Ich erinnere mich, dass, als ich damit angefangen habe, erstmal scheinbar gar nichts passiert ist. Und dann gab es einen Moment in einer Team-Besprechung, in der mein Chef etwas gesagt hat, was mich getriggert hat – und auf einmal fühlte es sich so an, als würde kurz die Zeit stillstehen. Ich habe innerhalb von einer Sekunde registriert, was er gesagt hat und habe gemerkt: „Oh wow, das trifft mich gerade, ich werde total unsicher und habe wieder das Gefühl, ich kann nichts. Ich weiß aber, dass das nicht stimmt. Mir gefällt nicht, wie er mit mir spricht. Wie könnte ich jetzt anders reagieren?“ Dann konnte ich umswitchen und ihm aus einer empowerten Position heraus begegnen, das war unheimlich kraftvoll.
Und das wünsche ich mir so sehr auch für dich. Also probier‘ es aus, gib dir Zeit und ich bin mir 100% sicher, dass sich etwas verändern wird.