Juli 21

Woran du ein toxisches Arbeitsumfeld erkennst und wie du damit umgehen kannst

In meiner ersten beruflichen Station im Personalwesen befand ich mich jahrelang in einem Umfeld mit einer toxischen Führungskultur. Da ich damals noch kaum Arbeitserfahrung hatte, habe ich nicht sofort gemerkt, was los war, sondern habe das für normal gehalten. Ich habe nicht das Umfeld in Frage gestellt, sondern an mir und meinen Fähigkeiten gezweifelt, alles auf mich bezogen. Wenn ich daran zurückdenke, werde ich immer noch wütend, weil ich einfach nicht begreifen kann – und will – wie man so mit Menschen umgehen kann. Im Laufe der Jahre habe ich dann gemerkt, dass dies kein Einzelfall war, sondern dass ähnliche Strukturen auch in anderen Unternehmen die Regel sind.  

Als ich angefangen habe, mich mit Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen, habe ich zum Glück irgendwann verstanden, dass nicht ich das Problem bin. Aber es hat seine Zeit gebraucht – auch bis ich es geschafft habe, mich daraus zu lösen.

Daher habe ich hier fünf Indizien für dich, an denen du ein toxisches Arbeitsumfeld erkennen kannst und zudem ein paar Impulse, wie du damit für dich umgehen kannst.

1. Du bist immer schuld

  • Du hattest eine Information nicht? Natürlich ist das deine Verantwortung, du hättest wissen müssen, dass sie relevant ist und nachfragen müssen. Du wusstest gar nicht, dass eine Information zu dem Thema existiert? Auch deine Schuld – du müsstest das Unternehmen und dein Arbeitsumfeld soweit kennen, dass du von selbst auf die Idee hättest kommen müssen.
  • Jemand anders hatte eine Information nicht? Du bist schuld – du hättest sie schließlich liefern müssen. Und zwar proaktiv.
  • Thema X ist auf einmal in der Geschäftsführung ganz wichtig, hat mit deinen Aufgaben zwar nichts zu tun, aber das hättest du wirklich schon längst einmal proaktiv anstoßen können, um zu zeigen, dass du bereit bist, die Extrameile zu gehen…
  • Apropos Extrameile – du hast schon 100 Überstunden, bist eigentlich in Teilzeit, musst um 15h gehen, weil du dein Kind aus der Kita abholen musst, bleibst schon eine Stunde länger und Mittagspause hast du auch keine gemacht, um alles zu schaffen? Tja, wenn du deine Arbeit in der Zeit nicht schaffst, musst du eben einen Anruf auch mal am Abend machen.

2. Du wirst nicht gehört

  • Dein Chef hat eine in seinen Augen brilliante Idee. Du bist Expertin auf deinem Gebiet und merkst, dass sie nicht funktionieren kann. Du führst die sachlichen Gründe auf, aber sie werden nicht gehört. Ein paar Wochen später berichtet er, dass sie die Idee eingestampft haben, weil sie gemerkt haben, dass sie nicht funktioniert – aus genau den Gründen, die du vorher genannt hast, aber davon spricht niemand mehr.
  • Ihr vereinbart etwas, z.B. die nächsten Schritte in einem Projekt oder einen freien Tag, den du beantragen möchtest. Du läufst los, aber im nächsten Termin geht dein Chef in eine ganz andere Richtung und wenn du ihn darauf ansprichst, dass ihr genau dieses Vorgehen besprochen habt, ist die Reaktion: „Das habe ich nie gesagt.“

3. Du wirst permanent kritisiert, erhältst aber keine fundierten Gründe

Wenn du einen variablen Vergütungsbestandteil hast, kennst du sicher das Konzept der jährlichen Leistungsbeurteilung. Dein Chef vergibt Punke für bestimmte Kriterien wie z.B. Innovationsfähigkeit, Flexibilität, Leistungsbereitschaft etc. In einer toxischen Kultur wirst du pauschal schlecht bewertet mit Allerweltsaussagen, Totschlagargumenten oder auch einmal Aussagen wie „Der Leiter sieht das auch so“ – eine rationale, fundierte Begründung mit konkreten Beispielen bekommst du nicht.

4. Deine individuellen Stärken werden nicht gesehen

Wenn du nicht ins System passt, bist du falsch. Vielleicht sind deine Stärken (z.B. Einfühlungsvermögen, Ehrlichkeit, Strukturiertheit, Effizienz…) in einem toxischen Umfeld sogar Schwächen.

5. Dein individuelles Empfinden

Du merkst z.B. dass etwas nicht stimmt, wenn

  • … du morgens nicht gerne aufstehst, dir schon überlegst, wann du heute im Büro sein musst, um zu einer bestimmten Uhrzeit ausstempeln zu können oder welcher Tag heute ist, damit du weißt, wie lange es noch zum Wochenende ist.
  • … du jedes Mal mit einem unguten Gefühl zu Terminen mit deiner Führungskraft gehst, wenn du sehr angespannt bist oder schon durchgeschwitzt bist, obwohl eigentlich noch gar nichts passiert ist.
  • … du den Sonntagabend gar nicht genießen kannst, weil du schon an Montag denkst.
  • … sich deine Gedanken auch in deiner Freizeit regelmäßig um die Arbeit drehen und sich alles in dir zusammenzieht.
  • … du von Urlaub zu Urlaub lebst und von Wochenende zu Wochenende.
  • … es sich körperlich manifestiert, wenn du z.B. häufig krank bist. Einer sehr guten Freundin ging es einmal so, dass tatsächlich ihre Muskeln versagt haben und sie die Stufen zum Eingang des Firmengebäudes nicht mehr hochgehen konnten, weil ihre Beine schwer waren wie Blei.

Das sind natürlich lediglich Beispiele und Indizien, deine individuelle Situation zeigt sich vielleicht ganz anders.

Mir ist wichtig, dich zu sensibilisieren und dir mitzugeben: Wenn du in deinem Job unglücklich bist, an dir zweifelst oder denkst, dass du nicht genügst, dann hinterfrage bitte, bitte, bitte gründlich, ob wirklich du das Problem bist oder ob du im falschen Umfeld gelandet bist.

Was kannst du tun, wenn du dich in einem toxischen Arbeitsumfeld befindest?

Ich persönlich bin der Meinung: Wenn dies auf dich zutrifft, dann nimm deine zwei Beine in die Hand und lauf. Du bist zu viel wert, deine Gesundheit ist zu viel wert, deine Lebenszeit, deine Stärken und Fähigkeiten sind zu viel wert, als dass du auch nur einen Tag länger als nötig in so einem Umfeld bleiben solltest. Du kannst mit allem, was du bist und was dich ausmacht so viel mehr auf dieser Welt bewirken.

Natürlich gibt es Umstände, unter denen du sagst, das ist nicht so einfach. Vielleicht hast du ein gutes Gehalt, hast Kinder, ein Haus, das du abbezahlst oder andere Verpflichtungen, wegen denen du vermeintlich feststeckst und nicht so einfach gehen kannst. Ich bin auch hier der Meinung: Deine Gesundheit – physisch wie emotional – und dein Lebensglück sollte an erster Stelle stehen. Denn was passiert, wenn du hier über dich hinweggehst? Du verrätst dich permanent selbst. Du vermittelst dir selbst immer wieder: Ich bin nicht wichtig. Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig. Mein Glück ist nicht wichtig. Wenn du Kinder hast: Was lebst du ihnen vor? Ist es wichtiger, einen tollen Urlaub zu verbringen oder ist es wichtiger, gut für sich selbst zu sorgen und für sich und seine Werte einzustehen? Vielleicht sitzt du in der Rente dann in dem abbezahlten Haus, bist dann aber krank, weil du jahrelang Raubbau an deiner Gesundheit betrieben hast; oder du schaust zurück und bereust, dass du nie das gelebt hast, was für dich eigentlich richtig gewesen wäre.  

Wenn du es aktuell noch nicht schaffst, dich aus der Situation zu lösen, dann lass mich dir noch ein paar Impulse mitgeben, wie du damit umgehen kannst:

  1. Abgrenzung – finde für dich etwas, das dir hilft, deine Rolle im Job radikal von deiner Persönlichkeit zu trennen. Ich habe mir eine zeitlang vorgestellt, dass ich mir eine Art energetischen Schutzmantel anziehe, sobald ich das Gebäude betrete. Alles Negative, das von außen kommt, prallt daran ab und dringt nicht zu mir durch. Für mich hat das nur sehr bedingt funktioniert, aber vielleicht funktioniert es für dich. Mach dir bewusst, dass der/die andere auch aus seiner/ihrer Rolle heraus handelt und auch in seinen Pflichten verstrickt ist, dass das alles nichts mit dir persönlich zu tun hat.
  2. Den Fokus shiften – mach dir klar, dass dein Job dafür da ist, um dir den Lebensstandard zu ermöglichen, den du gerade führst. Fokussiere dich darauf, was in deinem Leben gut ist, umgib dich in deiner Freizeit so viel wie möglich mit Menschen, die dir guttun. Erstelle dir eine Liste mit allen Dingen, die dir guttun, die dir Kraft und positive Energie geben – das kann ein Bad sein, ein Thermenbesuch, Sport, Kino, Reisen, ganz egal. Und dann plane dir so viel wie möglich davon regelmäßig ein.
  3. Nutze die Situation für dein Wachstum. Beschließe radikal, ausnahmslos jede negative Situation für dein Wachstum zu nutzen. Reflektiere jedes Mal: Was genau ist es an der Situation, das dich stört oder dich schlecht fühlen lässt? Was triggert es in dir? Welche Gefühle kommen hoch? Welche Muster und welche Glaubenssätze kommen hoch? Woher kommen die? Sind sie wahr? Wie kannst du sie auflösen?

Diese Coping-Strategien funktionieren in meinen Augen nicht wirklich nachhaltig, doch sie können dir kurz- und mittelfristig helfen, dich ein wenig zu entlasten und dir den Kopf und das Herz ein bisschen freizuschaufeln, damit du in Ruhe überlegen kannst, wie deine nächsten Schritte aussehen.

Wenn du mich dafür an deiner Seite möchtest, buche dir hier dein kostenfreies Erstgespräch.


You may also like